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Chinesischer Schriftzug G.H.T.K.A.

独逸白鶴手拳法古武術協会

doitsu hakuchuu ti kenpo kobujutsu kyokai – G.H.T.K.A.

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唐手から空手へ

Überlebensinstinkt

Die meisten Karateka 空手家 〔からてか〕 denken, daß der Übergang vom okinawanischen zum japanischen Karate nahezu reibungslos über die Bühne ging. In den europäischen und amerikanischen 0815-Karate-Büchern, erwähnt man mehr oder weniger lapidar: Itosu 糸洲安恒 führte das Karate anhand der Pin'angata 平安型 〔ピンアンがた〕 in das Grundschulsystem ein. Weiter heißt es in etwas ausführlicheren Büchern (oder auch Wikipedia): Hanashiro Chōmo 花城長茂 〔はなぐすくちゅうむ〕 änderte als Erster die Schriftzeichen von 唐手空手. Nagamine 長嶺将真 〔ながみねしゅしん〕 und Miyagi 宮城長順 〔みやぎちゅじゅん〕 entwickelten einfach mal so die Fukyugata 普及型 und Funakoshi 船越義珍 〔ふなくしぎちん〕 änderete ohne Not einfach alle Namen der Kata 形 型, sowie deren Ablauf.

Dem war bei weitem nicht so!

Karate hielt erst sehr spät seinen, teils widerwilligen, teils erzwungenen Einzug ins japanische Kaiserreich 大日本帝國. 1872 wurde das Königreich Ryūkyū 琉球國 aus dem Vasallensystem Chinas herausgenommen und in ein Fürstentum umgewandelt, nur um wenig später aufgelöst und 1879 durch eine Verwaltungsreform in eine Präfektur umstrukturiert wurde. Für das Kaiserreich war Ryūkyū ausschließlich von strategischer und militärischer Bedeutung. Das ryūkyūanische Volk war ein Volk zweiter Klasse, teils ignoriert wie die Aynu アィヌ, teils verachtet wie die Chinesen, als Rekruten waren sie allerdings gut genug. Die militärische und nationalistische Indoktrination der Japaner nach der Meiji ishin 明治維新 erfolgte über das Bildungssystem. Dieser Nationalmilitarismus mußte natürlich auf das ryūkyūanische Volk übertragen werden, um sie "auf Linie zu bringen". Dazu wurde 1879 das japanische Bildungsystem eingeführt, mit Schulpflicht und vormilitärischer Ausbildung, natürlich bestanden die, dazu beauftragten, Präfekturbeamten ausschließlich aus entsandten Japanern, vornehmlich aus Mitglieder der Satsuma-Domäne 薩摩藩. Vor 1835 gab es für das einfache Volk Ryûkyû ‘s keine Bildung, diese war, auch nur fragmentiert, der adligen Kaste ermöglicht. Das bedeutete, daß überhaupt keine (Schul-)Gebäude dafür vorhanden waren, selbst die in Japan üblichen Terako-ya 寺子屋 waren auf Ryûkyû nicht vorhanden. Die neu errichteten Ausbildungs- und Wohnstätten, der ‘eingeflogenen’ Lehrkörperschaft nannte man Shihan-gakkō 師範学校 〔しはんがっこー〔. Die gesamte Bildung, von Grundschule aufwärts, fußte auf der japanischen Sprache, womit man die verschiedenen Sprachen Ryûkyû‘s ausmerzen wollte. Japan war immer ein autoritärer Staat, der von den Amerikanern geförderte Liberalismus nach 1870 wurde in Windeseile zurückgedrängt. Die Wiederbelebung des Nationalmilitarismus der seine Wurzeln im Shōgunat 将軍 und im Tennō 天皇 hatte, war eine unausweichliche Reaktion auf die Demütigung der durch die Amerikaner erzwungenen Öffnung Japans und des daraus resultierenden Minderwertigkeitskomplexes gegenüber der vermeintlichen Überlegenheit der ‘westlichen‘ Welt (angeführt von den USA) in jeglicher Hinsicht betreffs Ökonomie, Technologie, Wissenschaft, Militär, Politik, etc.

Dieser neue alte Staatsautoritarismus wurde unter dem Begriff der „Yamato damashii“ 大和魂, der „japanischen Seele“ zusammengefaßt.

Ein Tuudii 唐手, im ‘alten‘ Sinne, war im Yamato damashii zwar nicht fehlplatziert, aber absolut unerwünscht. Die neue Militarisierung war noch immer durchdrungen vom Bushidō 武士道, zusammen mit japanisch-konfuzianischer 儒家 Moral und Wertevorstellung, sowie shintōistischer 神道 Ahnenverehrung, welche auf Ryûkyû nicht die Ausprägung erreicht hatte; andere eigene Formen angenommen hatte; zu chinesisch und auch dàoistisch geprägt war.

Ein Ort dieser möglichen Transformation war die Okinawa Ken Shihan Gakkō 沖縄県師範学校, 1879 gegründet, 1886 unterhalb der alten Königsburg Shuri 首里城 angesiedelt.

Verrat

Man mußte also auch die alte chinesische Kampfkunst in eine neue japanische Kampfkunst transformieren, aus dem Karate ein Karate erschaffen.

Im Allgemeinen schreibt man diese Transformation Itosu zu, aber es erscheint bei weiterer Recherche sehr wohl komplexer.

Hanagusuku, sowie Yabu Kentsū 屋部憲通 traten um 1890 in das japanische Militär ein, wurde dort ausgebildet und waren wohl bei ein oder mehrern Einsätzen, zumindest im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg 甲午戰爭 dabei. Durch ihren Dienst in der kaiserlichen Armee, sowie en Kampfeinsätzen (obendrein die unausweichliche und vielleicht geglückte Gehirnwäsche, der sich ein jeglicher Rekrut, zu jeder Zeit und überall auf der Welt, zu unterwerfen hat), verschafften sie sich gewiß eine solide Vertrauensbasis, vielleicht sogar ein höheres Ansehen innerhalb der Armee und außerhalb bei den Verwaltungsbehörden. Ob sie damit eine Ausnahme darstellten ist nicht bekannt. Daß das allgemeine Ansehen wuchs zeigte sich an der respektablen Stellung Yabu‘s als Militär- und Sportlehrer 軍事並びに体育教官 an der Präfektur-Normalschule Okinawa Okinawa-ken shihan gakkō 沖縄県師範学校, sowie in der überlieferten Grabrede Hanagusuku‘s bei der Beerdigung Yabu‘s:

「沖縄は特別の制度をしかれ、植民地扱いをされていたが、我ら同志率先して教導団に入り、日清戦争では奮戦力闘した.これより日本人としての資質を疑問視されていた沖縄県人も認められるようになり、明治三十一年に徴兵令実施され、他府県と同等の地位につくことができた.大正九年には沖縄の特別制度撤廃され、自治をえることになったが、これは我らのように軍隊で活躍した人々の働きによるものであろう」
`Okinawa wa tokubetsu no seido o shikare, shokuminchi atsukai o sa rete itaga, warera dōshi sossen shite kyōdō-dan ni hairi, nisshinsensōde wa funsen rikitō shita. Kore yori nihonjin to shite no shishitsu o gimon-shi sa rete ita Okinawa kenjin mo mitome rareru yō ni nari, Meiji sanjūichi-nen ni chōhei-rei jisshi sa re, tafuken to dōtō no chii ni tsuku koto ga dekita. Taishō kyū-nen ni wa Okinawa no tokubetsu seido teppai sa re, jichi o eru koto ni nattaga, kore wa warera no yō ni guntai de katsuyaku shita hitobito no hataraki ni yoru monodearou.‘
„Okinawa unterlag einem Sondersystem und wurde wie eine Kolonie behandelt, doch wir Genossen traten als Erste der Kyododan bei und kämpften tapfer im Chinesisch-Japanischen Krieg. Von da an wurden die Okinawaner, deren japanische Staatsbürgerschaft zuvor in Frage gestellt worden war, anerkannt, und 1898 wurde die Wehrpflicht eingeführt, wodurch sie den gleichen Status wie die anderen Präfekturen erhielten. 1920 wurde das Sondersystem Okinawas abgeschafft, und die Präfektur erlangte Autonomie, was zweifellos dem Einsatz von Menschen wie uns zu verdanken war, die im Militär gedient hatten.“

Hanagusuku‘s Rolle

Wie oben erwähnt, gilt Hanagusuku offiziell als Erster, welche die Schriftzeichen änderte von Táng-Hand 唐手 in “Leere” Hand 空手.

Seine Intentionen hierfür sind nicht wirklich eindeutig überliefert. Anhand der oben erwähnten Grabrede, könnte man einen unbedingten Anpassungswillen, vielleicht sogar Anbiederung unterstellen. Allerdings schien er, wie der letzte Satz suggeriert, ein starker Befürworter der Autonomie gewesen zu sein, ganz nach dem Spruch zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Diese zwei Herzen betreffen sicherlich auch seiner beiden ersten Lehrer Matsumura Sōkon "Bushi"松村宗棍 und Ichiji Ankō. Hanagusuku wurde 1869 geboren und begann schon früh sein Training bei Matsumura, der von vielen als der größte Tuudii-Meister aller Zeiten angesehen wird. Matsumura war zu dieser Zeit bereits ein sehr alter Mann, und Hanagusuku war hauptsächlich Schüler eines seiner älteren Schüler, nämlich Itosu. Itosu prägte das moderne Karate wie kaum ein anderer,in der Geschichte und trieb um die Jahrhundertwende maßgeblich die Einführung von Tuudii im, oben beschriebenen, Bildungssystem voran. Hanagusuku blieb bei Itosu und fungierte bis zu dessen Tod im Jahr 1915 als dessen Assistenztrainer. Anfang des 20. Jahrhunderts unterrichtete Hanagusuku Gymnastik an einer Mittelschule in Shuri, was ihm eine hervorragende Gelegenheit bot, Itosu bei seiner Mission zu unterstützen.

Was Matsumura von dieser Mission gehalten hätte, bleibt im Reich der Spekulation.

Nach Beschreibungen seiner Zeitgenossen war Hanagusuku ein hochintelligenter, geradliniger Mensch mit einem, den Inselbewohner eigenen, Sinn für Humor, aber darauf komme ich gleich zurück.

Es ist unmöglich, über das Leben von Hanagusuku zu schreiben, ohne den anderen von Itosus älteren Schülern und Assistenten zu erwähnen: Yabu Kentsū, der ursprünglich ebenfalls Schüler Matsumuras war. Yabu war berüchtigt für seine zahlreichen Herausforderungskämpfe, die er allesamt ungeschlagen überstand. Die beiden teilten eine Unzahl an gemeinsamen Erfahrungen und ihre Karrieren glichen sich erstaunlich stark. Beide fielen bei den Musterungsuntersuchungen der kaiserlichen Armee (m Jahr 1890 oder 91) durch ihre außergewöhnliche körperliche Verfassung auf. Sie waren Pioniere im Karateunterricht an Schulen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und unterrichteten Karate an Militärschulen. Beide nahmen am berühmten Treffen der okinawanischen Meister am 25. Oktober 1936 teil. Bei diesem Treffen der größten Meister ihrer Zeit, wurde der Name „Karate-Do“ offiziell anstelle von „Tuudii Jutsu“ eingeführt. Ein Foto der Teilnehmer des Treffens findet sich auf Seite 7 des „Old Canadian Chito Ryu Technical Manual“ sowie in vielen anderen Büchern zur Karategeschichte. Yabu und Hanagusuku stehen in der Mitte der unteren Reihe, O-Sensei 翁先生 ist der zweite von links in der oberen Reihe.

Eine bezeichnende Geschichte, die die enge Verbindung zwischen Hanagusuku und Yabu bis ins hohe Alter belegt, stammt von Nagamine Shōshin 長嶺将真. Während seiner Ausbildung bei der Tokioter Polizei im Jahr 1936 traf Nagamine auf Hanagusuku und Yabu. Die beiden warnten ihn, dass sich die Katas in Tōkyō 東京 stark verändert hätten und er deshalb darauf achten solle, die von ihm gelehrten Katas in ihrer ursprünglichen Form zu bewahren. Hanagusuku war zu dieser Zeit 77, Yabu 80 Jahre alt, Nagamine traf sie zusammen an, das heißt sie waren bis ins hohe Alter unzertrennlich.<(p)>

Hanagusuku war als führender Lehrer der Ryûkyû Tō-te Kenkyūkai 琉球唐手研究会 einer Organisation, die Anfang der 192ß gegründet wurde und eine Fortführung einer früheren Organisation, 1918 von Miyagi und Mabuni gegründet worden war. Ursprünglich sollte die Organisation die Lehren von Itosu, Higashionna Kanryō 東恩納寛量 und Aragaki Seishō 新垣世璋, der letzten Generation von Meistern, die zwischen 1915 und 1918 verstorben waren und eine große Lücke hinterließen, fortführen.

Itosu‘s Rolle

Mehr als 25 Jahre nach der Etablierung des großjapanischen Bildungssystems auf Ryûkyû begann Itosu Ankō, Karate an lokalen Schulen zu unterrichten, diese waren allerdings vollständig unter kaiserlich-japanischer Kontrolle. Das heißt seine Ausbildungweise mußte den kaiserliche Bildungsvorgabe vollständig entsprechen. Es durfte nur eine kleine Erleichterung bedeuten, das Yamagata Aritomo 山縣 有朋, in seiner Funktion als Oberbefehlshaber des Generalstabs der kaiserlichen Armee, bei einer Stippvisite auf Okinawa/Uchinaa 沖縄, auf ‘gewisse’ kulturelle Unterschiede zwischen Ryûkyû und dem Festland hinwies und dies als ‘wohlwollende‘ Kritik verstanden wurde.

Itosu diente als Sekretär des letzten Königs des Ryūkyū-Königreichs, bis 1879 die ansässige einheimische Monarchie abschaffte. Von da an war er, sechs Jahre lang, selbst Beamter in den kaiserlichen Verwaltungsbehörden. In diesen Jahre muß ihm bewußt geworden sein, daß das Bildungswesen nur darauf ausgerichtet war, die Bewohner Ryûkyû‘s, von einer gegen Nationalismus resistenten Bevölkerung zu obrigkeitshörigen Untertanen umzuerziehen, damit sie gegebenenfalls bereitwillig ihr Leben für den Tennō opfern würden.

Ab ca. 1900 nahm er direkten Einfluß auf diese Erziehung, welche Intentionen er zwischen 1879 bzw. 1885 und 1900 verfolgte ist unklar, er verschwand (historisch gesehen) von der Bildfläche. Gesichert ist seine Attitude durch die, von ihm selbst verfaßten (aber nicht von im stammenden!) ‘Zehn Karate-Lektionen’ ()唐手十訓 manchmal auch ‘Zehn Dinge, die man über Karate wissen sollte’ 唐手心得十ヶ条. Noch bevor er diese 1908 veröffentlichte (eigentlich als Brief an die Behörden) tauchte er also, nach ca. fünfzehn Jahren Unsichtbarkeit, am Okinawa-ken shihan gakkō auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine Art ‘Karatelehrplan’ und die 平安 entwickelt (angeblich aus der Kūshankū 公相君).

Itosu unterrichtete Karate assistierend bei seinem Lehrer Matsumura, es ist davon auszugehen, daß er dies bis zu dessen Tod beibehielt. Vermutlich führte er dessen Training fort, es ist anzunehmen, bei sich zuhause. Es ist dennoch verwunderlich, daß sein Bekanntheitsgrad in Ryûkyû eher spärlich, im Vergleich zu seinem Lehrer Matsumura, sowie seinen Schülern, wie Funakoshi usw. sogar lächerlich anmutet, ganz im Gegensatz zu der Verehrung die im durch die gesamte (westliche) Karatewelt entgegengebracht wird.

Ich beabsichtige den Artikel in Kürze zu erweitern ...

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