Startseite41 Jahre Kampfkunst im Erzgebirge seit 1983

Kanji Titel

独逸白鶴手拳法古武術協会

doitsu hakucho te kenpo kobujutsu kyokai – G.H.T.K.A.

Die Form

形型

Eingehende, aber unvollständige Analyse der "Form" in den Kampfkünsten

Im weiteren Text möchte ich über die Form in den Kampfkünsten nachsinnen. Formen kommen in den verschiedensten Spielarten von Kampfkunst vor, ihr Stellenwert ist in den asiatischen, besonders den chinesischen und japanischen oder den davon abstammenden Künsten, weit höher als im Rest der Welt.

Nagamine Shōshin長嶺将真 sagte (freie Übersetzung):

Wenn Du Karate übst, dann übst Du Kata. Übst Du keine Kata, dann übst Du auch kein Karate.

Definition定義

Offiziell / Populär

„Eine Form in den Kampfkünsten ist eine genau festgelegte Abfolge von Bewegungen – wie Angriffen, Verteidigungen und Gegenangriffen − die einen Kampf gegen einen oder mehrere, reale oder imaginäre Gegner darstellt.“ Quelle: Wikipedia

Diese, in der westlichen Kampfkunst/-sportwelt, allgemeingültige Definition beschreibt die „wahre“ Form in keinster Weise und zeugt von großem Unverstand.

Persönlich

Ein Form ist ein vollständiges Curriculum, vor mehr oder weniger langer Zeit von einem Meister seines Faches hinterlassen, um seine direkten und auch indirekten (in Generationen nachfolgenden) Schüler zu unterrichten, ohne ein einziges mündliches oder schriftliches Wort zu äußern. Es ist ein daoistisches und später auch buddhistisches Prinzip wortlos zu lehren, wird aber in den Kampfkünsten kaum noch praktiziert, da es hohe Anforderungen an den Schüler stellt, die Schüler der heutigen Zeit selbst in Asien kaum noch erfüllen.

Je älter und ursprünglicher die Form, desto eher handelt es sich um ein komplettes Kampfsystem. Wenige Formen erfüllen dieses Kriterium, da sie meist abgeändert, sprich verwässert, wurden. Aber dennoch schlummert in fast jeder alten Kata das Potenzial für ein (fast) komplettes System.

Eine Form ist ein "Multilevel"-Lehrbuch, dessen Ebenen sich selbst offenbaren, je mehr Zeit man in das Üben der Form investiert. - Und ja, es handelt sich nur um den Faktor Zeit, alles andere stellt sich von selbst ein.

Ebenen

Eine Form besteht aus 5 Ebenen, der technischen, taktischen, strategischen, energetischen und geistigen Ebene. Sie beeinflußt also die physische und psychische Entwicklung des Schülers.

Technische Ebene

Diese Ebene beinhaltet die simple Technik (Schlag, Stoß, Schritt, Tritt etc.). Die Form lehrt Dich die korrekte, aber auch für Dich individuell passende Technik. Die Bewegung, Entspannung, Spannung, Kraft werden bis ins Detail geschult.

Taktische Ebene

Diese Ebene beinhaltet die Möglichkeiten und schult die Fähigkeit, die einzelnen Techniken zu kombinieren. Durch die logische Zusammenführung erlangt die Form ihre erste Praktikabilität, also das oberflächliche, offensichtliche Bunkai分解.

Strategische Ebene

Diese Ebene beinhaltet die Überführung / Übersetzung der taktischen Ebene in die strategische Kampfführung. Das bedeutet die Fähigkeit zu erlangen, unter Zurechtlegung und Anwendung belieber Taktiken der Form, den Kampf schon vor Beginn für sich zu entscheiden.

Energetische Ebene

Diese Ebene beinhaltet das Erlangen des Verständnisses über den eigenen Energiehaushalt und -fluß, dessen Steuerung und dessen Projektion vom eigenen Körper auf die Form, von der Form zurück auf den eigenen Körper und zuletzt auf den Gegner bzw. die gesamte Umgebung.

Jede Form ist (auch) Qìgōng氣功!Dr. Wolfgang Hufnagl

Geistige Ebene

Diese Ebene beinhaltet das Kennenlernen des eigene Geisteszustandes, das Verstehen, die Verwerfung und Neuordnung des eigenen Glaubenssystems, die Anpassung des eignen (Denk-)Verhaltens an die allgemeinen und die aktuellen Lebenssituationen, mit dem Ziel irgendwann "Erleuchtung" zu erlangen.

Begriff術語

Je nach Herkunftsland hat die Form verschiedene, auch im latinen Sprachgebrauch Einzug gehaltene Bezeichnungen:

  • Kata (jap. 形, dt. „Form, Stil, Haltung“ oder (im Karate) jap. 型 für „Vorschrift, Muster, Abdruck, Schablone“) in den japanischen Kampfkünsten (jap. Budō)
    • Mandarin (Standard Chinesisch, Beijing)
    • Pinyin: xíng
    • Zhuyin: ㄒㄧㄥˊ
    • Wade-Giles: hsing
    • Gwoyeu Romatzyh: shyng
    • IPA (key): /ɕiŋ³⁵/
    • Cantonesisch (Standard Cantonesisch, Guangzhou)
    • Jyutping: jing
    • Yale: yìhng
    • Cantonesisch Pinyin: jing
    • Guangdong Romanization: ying
    • IPA (key): /jɪŋ²¹/
    • Hakka (Sixian, incl. Miaoli and Meinong)
    • Pha̍k-fa-sṳ: hìn
    • Hakka Romanization System: hinˇ
    • Hagfa Pinyim: hin
    • IPA: /hin¹¹/
    • Min Nan (Hokkien)
    • Pe̍h-ōe-jī: hêng
    • Tâi-lô: hîng
    • Phofsit Daibuun: heeng
    • IPA (Xiamen): /hiɪŋ²⁴/
    • IPA (Quanzhou): /hiɪŋ²⁴/
    • IPA (Zhangzhou): /hiɪŋ¹³/
    • IPA (Taipei): /hiɪŋ²⁴/
    • IPA (Kaohsiung): /hiɪŋ²³/
    • Wu (Shanghainesisch)
    • Wiktionary: hhin (T3)
    • IPA (key): /ɦɪɲ²³/
  • 二 Taolu (chin. 套路) in einigen chinesischen Kampfkünsten, speziell im modernen Wushu
    • Mandarin (Standard Chinesisch, Beijing)
    • Pinyin: tàolù
    • Zhuyin: ㄊㄠˋ ㄌㄨˋ
    • Gwoyeu Romatzyh: tawluh
    • IPA (key): /tʰɑʊ̯⁵¹⁻⁵³ lu⁵¹/
    •  
    • Cantonesisch (Standard Cantonesisch, Guangzhou)
    • Jyutping: tou lou
    • Yale: tou louh
    • Cantonesisch Pinyin: tou lou
    • Guangdong Romanization: tou lou
    • IPA (key): /tʰou̯³³ lou̯²²
    •  
    • 三 Quán (拳) in einigen südchinesischen Stilen oder in Stilen, die von solchen beeinflusst wurden
        Mandarin
      • Pinyin: quán
      • Zhuyin: ㄑㄩㄢˊ
      • Wade-Giles: ch'üan²
      • Gwoyeu Romatzyh: chyuan
      • IPA (key): /t͡ɕʰy̯ɛn³⁵/
      •  
      • Cantonesisch
      • Jyutping: kyun
      • Yale: kyùhn
      • Cantonesisch Pinyin: kyn
      • Guangdong Romanization: kün
      • IPA (key): /kʰyːn²¹/
      •  
        Min Nan (Hokkien: Quanzhou, Xiamen)
      • Pe̍h-ōe-jī: koân
      • Tâi-lô: kuân
      • Phofsit Daibuun: koaan
      • IPA (Quanzhou): /kuan²⁴/
      • IPA (Xiamen): /kuan²⁴/
        • (Hokkien: Zhangzhou)
        • Pe̍h-ōe-jī: khoân
        • Tâi-lô: khuân
        • Phofsit Daibuun: qoaan
        • IPA (Zhangzhou): /kʰuan¹³/
          • (Hokkien: Xiamen, Quanzhou, Zhangzhou, mainstream Taiwanesisch)
          • Pe̍h-ōe-jī: kûn
          • Tâi-lô: kûn
          • Phofsit Daibuun: kuun
          • IPA (Xiamen): /kun²⁴/
          • IPA (Quanzhou): /kun²⁴/
          • IPA (Zhangzhou): /kun¹³/
          • IPA (Taipei): /kun²⁴/
          • IPA (Kaohsiung): /kun²³/
      • 四 Quyen bzw. Bai-Quyen in den vietnamesischen Kampfkünsten
      • 五 Hyeong, Tul oder Poomse in koreanischen Kampfkünsten (kor. Mudo)
      • 六 Burmesisch aka
      • 七 Kashmiri khawankay
      • 八 In Sanskrit, sind formen bekannt als yudhan (Kampfform) oder pentra (taktische Aufstellung)

Zweck目的

Die westliche Welt kennt Formen eigentlich nur aus dem sportlichen Wettkampf − und da liegt auch gleich „der Hund begraben“…

Das Üben der Formen dient dazu, dem Übenden die verschiedenen Techniken einer Kampfkunst beizubringen. In der Regel handelt es sich um Einzelformen, bei denen der Übende gegen einen imaginären Gegner kämpft. Dadurch kann der Übende sich mehr auf das korrekte Ausführen der Bewegungen konzentrieren und wird nicht von der Interaktion mit einem realen Partner oder Gegner abgelenkt. Formen werden häufig gemeinsam und gleichzeitig geübt, so dass ein Schüler durch Imitation seines Lehrers oder der anderen Übenden lernen kann. Formen bilden oft die Grundschule bzw. das Fundament für das weitere Lernen dieser Kampfkunst für den Übenden. Das Erlernen und Einüben einer Form erfordert viel Zeit, um alle Bewegungen korrekt ausführen zu können. Viele Meister sagen, dass das Erlernen einer Form nur kurze Zeit erfordert, doch das Beherrschen und Perfektionieren einer Form ein ganzes Leben andauert. Eine Form kann auch dazu dienen, die Essenz einer Kampfkunst vor dem Vergessen zu bewahren und sie von einer Generation zur nächsten weiterzugeben. Formen werden auch häufig verwendet, um Außenstehenden eine Kampfkunst zu demonstrieren, beispielsweise in Vorführungen und Shows.

(…)

Heutzutage werden Formen auch in sogenannten Formenwettkämpfen verwendet, bei denen Wettkampfrichter die Ausführung der Formen bewerten. Als Kriterien dienen dabei die Korrektheit der Ausführung, die Dynamik, die Harmonie und andere Aspekte. Formenwettkämpfe gibt es in den meisten asiatischen Kampfkünsten; in manchen Kampfkünsten sind solche Formenwettkämpfe sogar die einzige oder zumindest häufigste Art des sportlichen Wettkampfes (...).
Für Wettkämpfe werden häufig eigene Formen entwickelt, dabei stehen – im Gegensatz zur traditionellen Verwendung der Formen in den Kampfkünsten − jedoch vor allem auch Aspekte wie Ästhetik und Choreographie im Vordergrund. In einigen Fällen werden die Formen auch mit Musik unterlegt oder als Synchronform geübt (...).
Quelle: Wikipedia

Der eigentlichen Zweck bzw. der zweite Teil des eigentlichen Zwecks läßt sich mit dem von mir etwas veränderten Zitat von Sir John Denham:

„Tradition ist nicht die Weitergabe der Asche, sondern die Weitergabe des Wissens um Feuer zu entfachen.“

präzise Beschreiben.

Die Form ist eine Sammlung von teils durchaus kodierten Informationen, welche durch Gestik, Atmung und Aura übertragen werden kann und durch Nachahmung erlernt, verinnerlicht, begriffen, transformiert und/oder erweitert, letztendlich ebenfalls weitergegeben werden kann. Sie ist die Essenz der persönlichen Interpretation von Prinzipien des jeweiligen Übenden und eventuellen Überträgers. Diese Essenz kann einfach oder komplex „gestrickt“ sein und im Laufe ihrer Ausübung und vor allem ihrer Übertragung qualitative und quantitative Änderungen erfahren. Während quantitative Änderungen offensichtlich sind, liegt die Bemessung der Qualität im Auge bzw. in der Qualifikation des Empfangenden oder des Betrachters.

In Kunst und Kultur sind seit 6000 Jahren Abwärtsentwicklungen leider die Regel.

Tanz 舞蹈

Die erste Form der Form ist der Tanz − genauer gesagt, der Ausdrucks- oder Erzähltanz. Bestimmte Erlebnisse aus früherer oder naher Vergangenheit wurden vor allem an die Jugend weitergegeben, um diese zu unterrichten oder auch um Erlebnisse und Ereignisse im Stammes-, Sippen- oder Familiengedächtnis zu behalten. Das betraf auch erlebte Kämpfe mit Tieren und Menschen. Erfolgreiche oder nützliche Hanulungen und Verhaltensweisen, wurden nachgeahmt, um sie weiterzugeben. Kampf- oder Kriegstänze wurden verwendet, um sich auf den Kampf vorzubereiten oder um den Gegner einzuschüchtern oder zumindest zu beeindrucken. Der Zweikampf selbst hat fast immer etwas Tänzerisches, am deutlichsten in der Belauerungsphase. Diese Tänze enthielten und enthalten noch heute Gestik der Abschreckung, Belagerung, Irreführung, des Angriffs und Rückzuges, oft auch in Verbindung mit Geräuschen (z.B. Fußstampfen, schrille oder tiefe Laute).

Kriegstänze / Kampftänze

Al-Arda al-Barriya – Kuwait, it-Taḥṭīb – Egypt, Al-Yolah – Oman, Ayyalah – Qatar, Parichamuttukali − Kerala, Khattak – Afghanistan, Baris – Bali, Cakalele – Indonesia, Kabasaran – Sulawesi, Aduk-Aduk – Brunei, Haka – Māori, Cibi – Fiji, Hula & Kapu Kuialua – Hawaii, Kailao – Tonga, Gymnopaedia - Sparta, Pentozali (Πεντωςάλη) – Kreta, Yarkhushta (Յարխուշտա) – Armenia, Khorumi (ხორუმი) – Georgien, Inulamu – Zulu, Massai moran, Bende Nigeria, Gillie Callum – Schottland, Ezpatadantza − Basque, Taekgyeon – Korea, Moringue, NíGolo – Afrika

Die vielfältigen Formen in den Kampfkünsten haben mehr oder weniger oder meist gar keine tänzerische Elemente, obwohl der Tanz ein althergebrachtes und probates Mittel ist, eine Kampftechnik zu verschleiern.

Das Tanzen des alten Mannes

Bemerkung: Dies ist ein Teil des Artikels "Manchmal spiele ich Karate, wie Okinawa-Tanz 'Hamachidori':. Karate und Okinawas Tänze sind die gleichen" geschrieben von Herrn Kiyohiko Higa, ein Lehrer von Naha Technical High School. Der Artikel erschien in der Monatszeitschrift "Aoi Umi" Februar 1978 Ausgabe (No.70) erschienen bei Aoi Umi Shuppansha (Seite 118).

Im Gespräch über das Verhältnis zwischen Karate und Okinawas Tänze, ich erinnere mich an eine interessante Geschichte, die ich von meinem Vater gehört habe, Seitoku Higa: Vor langer Zeit gab es einen Karateka, der hieß Machaa Buntoku oder Kinjo Matsu in Itoman Dorf, Okinawa. Er wurde im Jahre 1867 geboren und die Leute sagten, daß er Karate in Fuzhou, Provinz Fujian, China praktiziert und die Kampfkunst in der Tiefe beherrscht. Neugierig vom Gehörten über Machaa Buntoku, besuchte ihn Miyagi Sensei, zusammen mit seinem Jünger, Sensei Jin-an Shinzato und Seiko Higa. Miyagi Sensei bat ihn, ihnen seine beste Kata zu zeigen, die er in China erlernte. Da legte Machaa Buntoku ein Hachimaki (= Stirnband) an und führte einen seltsamen Tanz vor ihnen auf. Er tanzte und tanzte. Als er diesen seltsamen Tanz sah, dachte Seiko Higa dieser alte Mann sei wegen seines Alters verrückt. Jin-an Shinzato der damals noch jung war, verlor seine Beherrschung und hatte genug davon den Tanz zu sehen und sagte ihm: "OK. Tanz genug! Zeig mir deine Kampftechnik! Ich werde dein Gegner sein." Shinzato lieferte einen Karate-Schlag gegen ihn, aber Shinzato wurde von dem einfach weitertanzenden alten Mann niedergeschlagen und verletzte sich den Rücken. Er verlor sein Gesicht. Jeder fühlte sich peinlich darüber, so daß sie sich vor dem alten Mann verbeugten und nachhause gingen. Auf dem Heimweg sprach niemand. Diese Anekdote wurde meinem Vater von Meister Seiko Higa erzählt. Für den alten Mann zu tanzen, bedeutete daß er ihnen nur seine besten Kata zeigte. Sie hatten jedoch nie und nimmer angenommen, daß sein Tanz seine beste Kampftechnik war. Higa Kiyohiko

Funktion功能

Die Form ist die intelligente Art, das eigene Verständnis der Kampfkunst in Bewegung umzusetzen, zu kultivieren, dem eigenen Wesen einzuverleiben, zu einem alltäglichen und natürlichen Zustand werden zu lassen und beinhaltet gleichzeitig die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Die Form ist eine "Idee4", die, über die Routine, zum Wesenszug wird. Sie besitzt ein wenig limitiertes Potential, Fähigkeiten zu erlangen, zu erhalten und zu erweitern, um diese gegebenenfalls auch zu übertragen, weiterzugeben. Sie dient der eigenen geistigen und körperlichen Gesunderhaltung, durch die Aufrechterhaltung des natürlichen Qiflußes, der Verinnerlichung von motorischen und taktischen Abläufen, so daß sie sich zu Reflexen wandeln. Eine ausgereifte, "vollkommene" Form kann ohne weiteres von Dritten adaptiert werden, sorgt für die Weiterentwicklung der nächsten Generation durch die Form und im günstigsten Fall für die Weiterentwicklung der Form durch die nächste Generation.

Go Top